Frank Modler ist Schwabe, er stammt aus Nürtingen. Mit 14 Jahren hat er schon mal gekifft, dann auch verschiedene Drogen wie LSD oder Kokain ausprobiert aber er kann immer wieder aussteigen. Er ist ein sportlicher Typ: begeisterter Motorradfahrer, feiert internationale Erfolge im Judo, außerdem siegt er als Schwimm- und Fahrradstadtmeister. Als sich seine Eltern scheiden lassen, verlässt Frank das Gymnasium und schlägt sich ein halbes Jahr mit verschiedenen Jobs durch. Er beginnt eine Ausbildung als Energieanlagenelektroniker und findet eine Anstellung bei Daimler-Benz mit sehr gutem Gehalt. Dort bleibt er 16 Jahre.

 

Die Freundinnen wechseln einander ab, darunter ist auch seine spätere Frau. Sie ist damals 14 Jahre alt und er 18. Als er sich von ihr trennt, rutscht sie in die Heroinszene ab. Neun Jahre später trifft er sie wieder. Sie verlieben sich erneut ineinander und heiraten, als er 30 Jahre alt ist. Der gemeinsame Sohn scheint das Familienglück zu krönen. Hinter der Fassade sieht es anders aus. Bis dahin war Heroin für Frank tabu, nun lernt er es durch seine Frau kennen. Doch es gelingt ihm, den Drogenkonsum auf das Wochenende zu beschränken.

 

Frank verdient gut - nicht nur beruflich, sondern auch durch Autoschrauberei. Außerdem merkt er, dass er mit Haschisch schnelles Geld machen kann. Warum nicht im großen Stil handeln? Er denkt an ein Flugzeug und beginnt mit dem Pilotenschein. Aber dann werden alle Pläne zu Nichte: Frank hat einen schweren Motorradunfall und verbringt sechs Monate in einer Spezialklinik. Als er entlassen wird, steht er vor einem Scherbenhaufen. Eine Freundin seiner Frau, ebenfalls drogenabhängig - ist während seiner Abwesenheit in die Wohnung gezogen.       Frank findet seine Frau total verändert vor. Sie ist ständig von der Unruhe erfüllt, sich neuen Stoff zu besorgen. Frank versucht ihr zu helfen, vermittelt sie in verschiedene Therapien. Jedes Mal bricht sie wieder ab. Frank ist verzweifelt. „Ich habe mich für sie aufgegeben“, sagt er heute. „Sie war für mich alles im Leben. Ich habe sie geliebt und wollte nicht zulassen, dass ich sie verliere. Aber ich habe sie an die Droge verloren“. Schon damals schätzt er die Situation nüchtern ein: „Ich habe mir ausgerechnet, dass wir bei intensivem Drogenkonsum noch ein Jahr zusammenbleiben könnten“. Wenn es uns bis dahin nicht gelingen würde, vom Heroin freizukommen, wollten wir uns gemeinsam mit dem „Goldenen Schuss“ ein Ende setzen.

 

 

Sehnsucht nach Tod  

 

Seine „Rechnung“ geht leider auf. Nach einem knappen Jahr ist alles Geld weg, das Konto leer, die Aktien verkauft. Er steht vor dem finanziellen Ruin. Übrig bleiben 170.000 Mark Schulden. Wie soll es weitergehen? Er bringt seine Frau zu „Synanon“ nach Berlin. Es ist die einzige Einrichtung, die sich ohne Wartezeiten um Drogenabhängige kümmert. Sie versprechen einander, jeder wolle in den nächsten Monaten versuchen, clean zu werden.

 

Frank geht wieder zurück nach Schwaben und arbeitet weiter in seiner Firma, als sei nichts geschehen. Niemand weiß oder merkt etwas von seiner Drogensucht. In den nächsten Monaten gelingt es ihm tatsächlich, vom Heroin freizukommen. In dieser Zeit hat er keinerlei Kontakt zu seiner Frau. Nach einem halben Jahr besucht er sie. Er hat das Gefühl, dass sie sich in einer neuen Abhängigkeit befindet: „Ich hatte den Eindruck, die Leute wollten sie für immer dortbehalten“.

 

Aber die schwerste Enttäuschung kommt noch: Franks Frau ist schwanger von einem anderen Patienten. „Für mich brach eine Welt zusammen. Ich wollte meine Frau zurückholen, aber sie lehnte ab. Für sie war unsere Beziehung zu Ende“. Schon auf dem Weg nach Berlin hatte Frank Selbstmordgedanken und beschlossen: Sollte es ihm nicht gelingen, seine Frau zurückzuholen, wollte er sich das Leben nehmen. Jetzt, nach dem Gespräch mit seiner Frau, sieht Frank keinen Ausweg mehr. Er fährt auf einen Baum zu, erhöht das Tempo auf knapp 200, schließt die Augen und wartet auf den Aufprall... Aber nichts geschieht. Als er die Augen wieder öffnet, steht er mit dem Auto auf einem Acker. Ungläubig sieht er sich um: Die Autospuren führen direkt zum Baum ...

 

 

Endstation Straße

 

Doch Frank wünscht sich nichts sehnlicher als den Tod. Kaum zu Hause angekommen, besorgt er sich Stoff für den „Goldenen Schuss“. Nachdem er ihn gesetzt hat, wird er ohnmächtig. Aber das nächste Wunder passiert: Nach zehn Stunden wacht er am Tag danach wieder auf. Es gibt keine Erklärung. Er versucht es noch einmal. Diesmal ist die Dosis so hoch, dass sie einen „Elefanten umgehauen hätte“. Wieder geschieht etwas Unerklärliches: Immer wenn er versucht, das Heroin in die Vene zu spritzen, ist es, als verschließe sich die Nadel. Sobald er sie in den Raum richtet, ist sie frei. Nach einer halben Stunde gibt er auf: „Irgendwas war da, ich habe es damals Materie genannt - das nicht zulässt, dass ich mich umbringe“. Frank spricht die „Materie“ an: „Du hast noch etwas vor mit mir. Ich verspreche dir, ich werde nie wieder einen Selbstmordversuch machen.“ Trotz der unerklärlichen Vorkommnisse kann Frank nicht vom Heroin lassen. Er ist wieder voll auf Droge, lebt jetzt sehr zurückgezogen. Seine Sucht kann er noch verstecken, er arbeitet sogar weiter, doch muss er sich ständig Stoff besorgen. Das Gehalt reicht nicht aus. Schnell landet er in der Beschaffungskriminalität: Einbrüche, Diebstähle ... erwischt wird er nie. 1994 ist er am Ende. Er hat nur noch einen Wunsch: Dass ihn jemand in eine Therapie bringt. Tatsächlich gelingt ihm das. Doch nach zwölf Monaten bricht er ab. Er kann von der Droge nicht loskommen. Trotzdem schafft er es, weiter zu arbeiten - bis der nächste Zusammenbruch erfolgt. Jetzt findet die Therapie in einer christlichen Einrichtung statt. Nach einigen Monaten wieder ein Rückfall. Diesmal ist der Arbeitsplatz an bestimmte Bedingungen gebunden. Aber Frank verliert die Arbeit durch seinen Vorgesetzten, der ihn mobbt. Dem Jobverlust folgt der Wohnungsverlust. Frank lebt auf der Straße unter Obdachlosen, zieht durch Deutschland und bettelt. Die kriminelle Energie wird immer größer, bis hin zu versuchtem bewaffneten Überfall.

 

Schließlich folgt eine dritte Therapie und diesmal schafft er es. Zur Nachsorge findet er Aufnahme bei „NoDrax“ in Berlin. Frank zieht mit einer neuen Freundin zusammen, sucht sich wieder Arbeit und bekommt mit Ihr einen Sohn. 2009, nach sieben Jahren, trennt sie sich überraschend von ihm und geht mit dem Sohn in die Schweiz. Wieder steht Frank vor einem Scherbenhaufen. Wieder wurde er am Arbeitsplatz gemobbt. Wieder lockt das Heroin als Betäubungsmittel, um die Sorgen zu vergessen. Gerade noch rechtzeitig bemüht er sich um eine Auffangtherapie in der christlichen Drogentherapie, in dem er schon zweimal war.

 

 

Auftrag an den Mörder

 

Da lädt ihn ein Freund (†) in die City Kirche ein, eine evangelisch-freikirchliche Gemeinde in Berlin-Kreuzberg. Nach der Predigt. sagt Frank: „Zum ersten Mal verstand ich etwas von der Bibel. Ziemlich schnell kriegte ich das Gefühl, ich muss nicht mehr auf der Suche sein.“ Trotzdem verfolgen ihn noch die alten Schatten. Er hat Mordgedanken. Der Mobber, sein ehemaliger Vorgesetzter, hatte ihm alles genommen nicht nur den Arbeitsplatz. Auch seine Freundin mit dem gemeinsamen Sohn hatte ihn verlassen. Jetzt will Frank sich rächen. Vor Jahren hatte er einem Russen das Leben gerettet. Der versprach ihm damals: „Ich tue alles für dich.“ Frank verabredet mit ihm, die Frau und die beiden Kinder des damaligen Vorgesetzten umzubringen. Es geht nur noch um den Termin. Nach mehreren schlaflosen Nächten steht Frank plötzlich ein Wort vor Augen: Vergebung. Zunächst weiß er nichts damit anzufangen. Dann wird ihm klar: Er muss vergeben, nicht nur seinem ehemaligen Vorgesetzten, sondern auch seiner Ex-Partnerin. Frank tut es. Dem Mörder sagt er ab.

 

 

„Ich möchte nichts missen“

 

Seit Frank zum Glauben an Jesus Christus gefunden hat, hat sich viel verändert. Zum ersten Mal sieht er die Menschen mit dem Herzen - ob sie traurig sind, ob sie Hilfe brauchen. Eine neue Welt hat sich für ihn geöffnet. Sein jetziger Arbeitsplatz macht ihm viel Freude. Er arbeitet in der Solartechnik. Die City Kirche ist seine Familie geworden. So ließ er sich auch in der Havel in Berlin taufen. Noch einmal findet er eine Ehefrau. Sie gehört zur selben Gemeinde.

 

 

Was war für ihn das Schmerzlichste? „Als ich meine erste Frau und Sohn verlor und später auch meinen zweiten Sohn loslassen musste.“

 

Und das Schönste? „Dass ich Jesus begegnet bin. Zum ersten Mal traf ich eine Entscheidung in der Gewissheit, dass mein Leben jetzt einen Sinn hat.“ Und wenn er zurückschaut? „Ich möchte keine Sekunde missen. Es hat mich zu dem gemacht hat, was ich heute bin. Ich bin sicher, dass Gott einen Plan mit mir hat. Jetzt weiß ich, wo ich zu Hause bin. Da gibt es „Einen“, der mag mich so, wie ich bin.“

 

 

 

 

 

 

 

34 ENTSCHEIDUNG 4/2012

 

ÜBER DIE AUTORIN:

 

Dr. Irmhild Bärend (†) ist Journalistin und hat mehrere Bücher publiziert. Sie leitete über 30 Jahre die Redaktion der „Entscheidung.“