Gefängnisarbeit - wie es dazu kam.

Etwa 2 Jahre, nachdem ich zum Glauben gefunden hatte, verspürte ich immer öfter das Bedürfnis, irgendwie Gott zu dienen. Ich wollte wissen, ob Gott mich irgendwie gebrauchen könnte. So fragte ihn einfach in einem Gebet danach.

Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten.

 

Zwei Tage später war ich , wie inzwischen jeden Sonntag, im Gottesdienst. Dort kümmerte ich mich mittlerweile auch um Erstbesucher, indem ich vorsichtig Kontakt zu ihnen aufnahm. So erzählte mir ein Erstbesucher, dass er normalerweise in einer anderen Gemeinde sei und nur zu Besuch gekommen ist. Weiterhin erfuhr ich, dass er Polizist ist. Nachdem ich ihm eine Weile gelauscht hatte, plauderte auch ich etwas aus meinem Nähkästchen. Es dauerte nicht lange, da zeigte er mit seinem Finger auf mich und sagte: “Dich brauchen wir im Gefängnis!”- Er machte nämlich Gefängnisarbeit, wo er einmal die Woche nach der Arbeit  in den Knast geht und dort zusammen mit anderen Mitarbeitern die sogenannte "Gott-und-die-Welt-Gruppe" leitet.

Ich lachte und winkte ab, mit den Worten: Nein, nein, da möchte ich nicht mehr hin. Ich möchte nach vorne schauen, nicht nach hinten! 

 

Einen Tag danach arbeitete ich bei einem Treffen von Christen aus ganz Deutschland in der Gedächtniskirche mit. Als ich gerade dabei war, einen Tisch einzudecken, kam ein Mann, den ich nicht kannte , auf mich zu und sprach mich an: Hey, ich kenn dich, du machst Gefängnisarbeit. Dies verneinte ich und antwortete: Das muss eine Verwechslung sein.

 

Einen weiteren Tag später wollte ich gerade eine Strasse am Ku-Damm überqueren und wartete auf das Grün der Ampel. Plötzlich zupfte jemand von hinten an meiner Jacke. Ich drehte mich um und stand einer kleinen älteren Dame gegenüber, die mich anlächelte und fragte: Gell, sie arbeiten mit Gefangenen?

 

Bis hierher hatte ich mir keinen Kopf über diese Begegnungen gemacht, doch nun wurde ich nachdenklich. Wollte Gott, dass ich ins Gefängnis gehe, um dort seine Botschaft zu verkündigen? Sollte Gott diese drei Menschen benutzt haben, um zu mir zu sprechen?

Als erstes sprach ich mit meiner Frau darüber, die dieser Sache nicht sehr zugetan war. Sie hatte Bedenken, ich würde dort verhaltensrückfällig werden. Auch ich selbst konnte mich mit diesem Gedanken überhaupt nicht anfreunden, weil ich mich einfach zu wenig bibelfest fühlte. Was sollte ich dort für eine Aufgabe übernehmen?

Jedoch dauerte es nicht lange, bis ich den ersten Schritt in diese Richtung machte. Immer wieder hatte ich diese Begegnungen vor Augen und kam zu dem Schluss, das konnte kein Zufall gewesen sein und das musste somit von Gott kommen. Also betete ich zu Gott: “Vater, ich tue was ich tun kann, du musst den Rest tun”.

So nahm ich Kontakt zu dem Polizisten aus meiner ersten Begegnung auf. Mit ihm vereinbarte ich einen Termin, bei dem ich mich dann in dieser Gruppe vorstellen sollte. Dies geschah dann auch. Bei diesem ersten Besuch erzählte ich aus meinem Leben und die Jungs hingen an meinen Lippen. Zwar wusste ich nicht, wie ich mich dort in Zukunft einbringen könnte, aber der Wunsch, dort mitzuarbeiten, wuchs.

Seit diesem Tag nahm ich dann schließlich auch regelmäßig an den sogenannten Forumstreffen teil, wo sich alle Mitarbeiter der Straffälligenhilfe aus Berlin und Umland trafen, um sich auszutauschen.

Auch stellte ich zeitnah einen schriftlichen Antrag. Die Antwort darauf ließ jedoch nicht lange auf sich warten. Es war eine Absage. Ohne Begründung. Vielleicht waren es die Einträge in meinem Führungszeugnis. Hatte mich die Vergangenheit eingeholt. Die Latte meiner Vorstrafen war lang. 

Auf der einen Seite war ich froh. Ins Gefängnis wollte ja sowieso nicht mehr. Und überhaupt, was hätte ich dort tun können? Meistens kommen die gleichen Häftlinge. Denen hätte ich ja nicht immer meine Geschichte erzählen können. Und dass ich, wie meine Kollegen, jedes Mal ein biblisches Thema ausarbeite, konnte ich mir nicht vorstellen. Das wäre mir zu anstrengend und dafür war ich noch zu wenig bibelfest.

Mein Plan war ja, vielleicht einmal im Monat in die Entgiftungsanstalten zu gehen und dort meine Lebensgeschichte zu erzählen. Dort ist ein rollierendes Puplikum und meine Hoffnung bestand darin, dass vielleicht mal irgendeiner meinem Beispiel folgt.

Aber, Gottes Plan war ein anderer.

Treu ging ich regelmäßig zu den Treffen des Straffälligen Forum und gehörte bald zum Inventar. Ein Jahr später stellte ich einen erneuten Antrag, den ich nochmal komplett anders formulierte, auch meine Motivationsgründe deutlicher ausführte. Zusätzlich legte ich noch ein Empfehlungsschreiben von meinem Pastor bei.

Doch, es kam nie eine Antwort zurück.

Seit meinem ersten Besuch im Gefängnis waren zwischenzeitlich fast 2 Jahre vergangen und ein weiteres Forumstreffen stand bevor. Da ich bis zu diesem Termin kein grünes Licht bekommen hatte, in der Gefängnisgruppe mitzuarbeiten, beschloss ich, an diesem Tag, eine Entscheidung zu treffen. Bevor ich mich auf den Weg zum Forumstreffen machte, betete ich zu Gott und sagte ihm: “Vater, wenn Du möchtest, dass ich für Dich ins Gefängnis gehe, musst Du heute unmissverständlich zu mir sprechen und mir den Weg dorthin aufschließen. Du hast Zeit, bis zum Ende des Forumstreffen. Bekomme ich kein Zeichen von Dir, werde ich mich heute offiziell in der Gruppe von dieser Arbeit verabschieden.” 

Dann geschah folgendes. Vorbereitet, eine Botschaft von Gott zu empfangen, machte ich mich auf den Weg. Ich war noch gar nicht ganz zur Tür herein, da rief mir die Vorsitzende, quer durch den Raum, zu: "Frank, bitte komm doch nach der Veranstaltung bitte einmal zu mir. Ich muss dir etwas sagen!”

So leicht nach oben schauend sprach ich innerlich zu Gott: Ist das ein Zeichen von dir? Wenn ja, ist ok, aber das reicht mir noch nicht.

So begab ich mich an einen freien Platz. Kurz nachdem die Versammlung begonnen hatte, ging Thorsten, das ist der Polizist, den ich in meiner Gemeinde angesprochen hatte, nach vorne und verkündete, dass er seine Arbeit im Gefängnis für eine gewisse Zeit ruhen lasse, weil er in die Schweiz geht und dort eine Ausbildung zum Diakon macht.

Wieder ging mein Blick nach oben und fragte Gott: “ Ist das wieder ein Zeichen von dir? Willst du mir sagen, dort entsteht eine Lücke, die gefüllt werden muss? Ja, kann sein, aber auch das reicht mir noch nicht!”

Nach einiger Zeit kamen wir an einen Punkt, wo wir jeweils in die Ecken des Raumes gehen sollten, um für die Gefängnisinsassen zu beten. In jeder Ecke hing eine Liste an der Wand, wo Gebetsanliegen der Gefangenen drauf standen. Wie z. B. “ Betet für meine Mutter. Sie hat Krebs.” Oder. Betet, dass sich meine Frau nicht von mir trennt.” Usw. So ging ich in die erste Ecke und suchte mir ein Gebetsanliegen heraus. Nach kurzer Zeit gesellten sich 2-3 andere dazu und schließlich begannen wir, jeder für sein ausgesuchtes Anliegen zu beten. Dieselbe Prozedur dann in der zweiten Ecke. Als ich schließlich in die dritte Ecke ging, ich mir ein Gebetsanliegen herausgesucht hatte, wunderte ich mich, dass außer mir hier niemand herkam. Nach kurzer Zeit des Wartens beschloss ich, dann eben alleine anzufangen mit dem Gebet. Doch gerade als ich mein Haupt senkte und anfangen wollte, merkte ich, dass doch noch 2 Männer gekommen waren und sich einer links, der andere rechts von mir setzte. Fast wie abgesprochen, was nicht der Fall war, legten beide plötzlich jeweils eine Hand auf mein Bein und jeweils eine Hand auf meine Schulter. Wie aus einem Mund sagten sie: "Frank, jetzt wollen wir für deine Gefängnisarbeit beten."

Wie vom Blitz getroffen, ließ ich es über mich ergehen. Auf dem Rückweg an meinen Platz, sagte ich leise zu mir: “Das waren klare Worte, noch deutlicher geht es nicht.”

Doch das war noch nicht alles. Als ich mich setzen wollte, schaute mich Rosi, die rechts von mir saß, an und jammerte: “Frank, ich brauche unbedingt Unterstützung. Alleine schaffe ich das nicht mehr.”

Ich schaute nach oben und sagte zu mir:"Vater, ich habe verstanden, aber du hast mich doch schon.”

Nun nahm ich Platz und schaute nach links. Hier saß Gisela. Sie nutzte unseren Blickkontakt und sagte:” Frank, am nächsten Donnerstag nehm ich dich mit ins Gefängnis”

Und so war es dann auch. Auf einmal stand diese Tür für mich offen für mich und seit diesem Tag gehe ich nun einmal wöchentlich nach der Arbeit von 16 bis 19 Uhr ins Gefängnis und leite dort die sogenannte “Gott und die Welt Gruppe”.