Meine Entwicklung mit Gott an meiner Seite.
Als Kind wurde ich getauft, später konfirmiert. Doch als es ernst wurde und das Geldverdienen begann, trat ich aus der Kirche aus – nicht aus Überzeugung, sondern um die Steuern zu sparen.
Mit Glauben, Gott oder Religion wollte ich nichts zu tun haben. Weder von Gott noch von Satan ließ ich mir je etwas erzählen. Ich war mein eigener Gott. Ich entschied, wo es langging, und für alles hatte ich eine Erklärung parat.
Doch eines Tages kam ich zum zweiten Mal an einen Punkt, an dem ich scheiterte. Meine Regeln, meine Vorstellungen, meine „Herrschaft“ über mein Leben – all das führte ins Leere. Alles, was ich mir als Lebenssinn zurechtgelegt hatte, entglitt mir ein zweites Mal. Es fühlte sich an, als würde mir der Boden unter den Füßen weggezogen. Und da begann die Frage zu nagen: Was hat das alles für einen Sinn?
Es ist wohl das Wesen der Menschheit, dass wir nur dann innehalten und umdenken, wenn wir am absoluten Tiefpunkt stehen. Das steht sogar schon in der Bibel: „Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in Gottes Reich kommt“ (Lukas 18:25). Es fällt leicht, Gott zu ignorieren, wenn es uns gut geht. Denn wer Erfolg hat, sagt oft: „Schau mich an, ich habe doch alles richtig gemacht.“
Doch ich hatte diesen Punkt erreicht, an dem nichts mehr funktionierte. Mein Hochmut hatte mich in die Isolation geführt, und meine Überzeugung, alles unter Kontrolle zu haben, war zerbrochen.
Man muss nicht erst ganz unten ankommen, um umzudenken. Aber für mich war es genau dort, wo ich den Schritt machte – den ersten Schritt weg von mir selbst, hin zu Gott, der größer ist als ich.
Die Lernphase: Der Beginn eines neuen Weges
Es gab eine Zeit in meinem Leben, in der ich die Not anderer Menschen kaum mehr wahrnahm. Vielleicht sah ich sie, doch ich konnte sie nicht fühlen, nicht verarbeiten und schon gar nicht darauf reagieren. Mein Herz war verschlossen, meine Sinne abgestumpft. Doch so wollte ich nicht bleiben.
Ich glaubte fest daran, dass kein Mensch böse oder gefühllos geboren wird. Jeder von uns wird von Erziehung, Erfahrungen und äußeren Einflüssen geformt. Als ich Gott kennenlernte, wurde mir bewusst, wie weit ich mich von dem entfernt hatte, was ich einst war. Ich begann zu beten: „Himmlischer Vater, bitte schärfe meine Sinne. Hilf mir, zu fühlen und zu verstehen, was Du mit mir vorhast.“
An einem kalten Januarmorgen nahm ein neuer Weg seinen Anfang. Mein Ziel war die Krankenkasse, um mein Krankengeld abzuholen. Auf dieser Strecke durchquerte ich eine Einkaufspassage. Am Ausgang bemerkte ich aus dem Augenwinkel einen Rollstuhlfahrer. Mein erster Impuls war, weiterzugehen, doch eine leise Stimme in mir sagte: „Dreh dich um.“
Da stand er, verzweifelt und gefangen im gefrorenen Schnee, unfähig, vorwärts oder rückwärts zu kommen. Noch immer zögerte ich. Meine alten Muster flüsterten: „Beeil dich, sonst verpasst du dein Geld.“ Doch die Stimme in meinem Inneren wurde lauter: „Frag ihn, ob er Hilfe braucht.“
Zum ersten Mal seit langer Zeit durchbrach ich meine inneren Schranken. Ich fragte den Mann, ob er Hilfe benötige, und seine Erleichterung war greifbar. Er erklärte, dass er zu seiner Wohnung müsse – nur 100 Meter, behauptete er. Doch es waren keine 100, sondern fast 800 Meter durch den Schnee. Dennoch schob ich ihn bis zu seiner Tür. Sein dankbares Lächeln und die ehrliche Freude in seinen Augen berührten mich tief.
Als ich mich schließlich auf den Rückweg machte, war die Krankenkasse längst geschlossen. Doch statt Frust spürte ich etwas, das ich lange nicht mehr empfunden hatte: Freude. Tiefe, ehrliche Freude. Es war, als hätte eine unsichtbare Last von meinen Schultern abgelassen. Ich fühlte mich lebendig und erfüllt, getragen von einem Glück, das aus einem einfachen Akt der Nächstenliebe entsprang.
Dieser Moment war nicht nur eine gute Tat – er war der Beginn einer neuen Lebensphase. Ich verstand, dass das Leben lebenswert ist, wenn wir die Mauern um unser Herz niederreißen und anderen Menschen in ihrer Not begegnen.
Unwiderstehlich – Leuchtende Kinderaugen
Nach langer Zeit durfte mein Sohn endlich wieder ein Wochenende bei mir verbringen. Der Sonntag war für uns besonders: Es war unser gemeinsamer Besuch im Gottesdienst, auf den wir uns beide freuten. Während ich den Predigten lauschte, spielte er begeistert in der Kindergruppe.
An diesem Sonntag erzählte unser Pastor von der Katastrophe auf Haiti. Ein verheerendes Erdbeben hatte Tausende obdachlos gemacht. Besonders beeindruckte mich die Initiative eines Berliner Geschäftsmanns, der versprach, für jede 50-Euro-Spende ein Zelt im Wert von 300 Euro für eine Familie bereitzustellen. Obwohl mich die Dringlichkeit dieser Geschichte bewegte, konnte ich selbst nichts geben – mein Arbeitslosengeld reichte kaum aus. Die 50 Euro in meiner Tasche waren mein Verpflegungsgeld für die kommende Woche.
Als der Gottesdienst endete, wartete ich auf meinen Sohn. Die Tür zum Kindergottesdienst öffnete sich, und die Kinder strömten lachend heraus. Vorneweg kam mein Sohn, seine Augen leuchteten vor Stolz. In der Hand hielt er eine selbstgebastelte Kerze. Mit einem strahlenden Gesicht lief er auf mich zu. „Papa, schau mal! Die Kerze habe ich gemacht, und du kannst sie für 50 Euro kaufen!“
Seine Worte trafen mich unvorbereitet. Für einen Moment war ich sprachlos. Doch dann sprach mein Herz: Wie hätte ich diesen leuchtenden Kinderaugen widerstehen können? Ohne weiter nachzudenken, zog ich meine 50 Euro aus dem Geldbeutel und kaufte die Kerze. Mein Sohn jubelte vor Freude, und ich lächelte mit ihm – trotz der leisen Sorge, wie ich die Woche überstehen würde.
Aber es geschah etwas Wunderbares. Noch in derselben Woche begann ich Gottes Fürsorge zu spüren. Drei Freunde, die nichts von meiner Not wussten, luden mich an unterschiedlichen Tagen spontan zum Essen ein. Mein Vorratsschrank, den ich als fast leer eingeschätzt hatte, reichte erstaunlich weit. Ohne zu hungern, kam ich durch die Woche.
Ich hatte mein Letztes gegeben, und Gott hatte mich getragen. Das strahlende Gesicht meines Sohnes und die Hoffnung, dass eine Familie nun ein Dach über dem Kopf hatte, machten jede Sorge mehr als wett. Gott hatte mir durch meinen Sohn einen unvergleichlichen Segen geschenkt – und das Licht seiner Liebe ließ mein Herz überfließen.
Offene Augen
Von jenem Tag an beschloss ich, mit offenen Augen durch das Leben zu gehen und darauf zu vertrauen, dass Gott mir weitere Menschen auf meinem Weg zeigen würde, die meine Hilfe benötigten. Es schien, als sei mein Gebet erhört worden, denn schon bald häuften sich die Gelegenheiten, in denen ich einem Fremden eine kleine Geste der Nächstenliebe zeigen konnte.
Eines Morgens war ich wieder einmal auf dem Weg zur U-Bahn. Die Bahn war gerade eingefahren, und ich setzte alles daran, sie noch rechtzeitig zu erreichen. Im Sprint durch die Station fiel mein Blick flüchtig auf eine Frau, die in einer dunklen Ecke saß. Es war nur ein Sekundenbruchteil, doch irgendetwas an ihrem Anblick blieb in meinem Bewusstsein haften. Ich hätte die Situation ignorieren können, schließlich war ich in Eile. Doch als ich gerade die Tür der U-Bahn erreichte, hielt mich eine innere Stimme auf: "Kehr um."
Ich folgte dieser Stimme und ging zurück zu der Frau. Sie saß mit gesenktem Kopf da, eingehüllt in alte, abgetragene Kleidung. Ohne lange zu überlegen, holte ich einen etwas größeren Geldschein aus meiner Tasche, kniete mich vor sie und legte ihr das Geld in die Hand. Dabei sagte ich leise: "Gott sieht dich und er liebt dich. Sei gesegnet." Als sie zu mir aufschaute, stockte mir der Atem. In ihren Augen lag ein Ausdruck von Liebe und Frieden, wie ich ihn noch nie gesehen hatte. Es fühlte sich an, als ob mich Jesus selbst durch sie anschaute.
Verwirrt, aber tief berührt, setzte ich meinen Weg fort. Die U-Bahn war inzwischen abgefahren, doch ich verspürte keinerlei Ärger oder Eile. Stattdessen wartete ich lächelnd auf den nächsten Zug, während eine Wärme mein Inneres erfüllte, die ich kaum in Worte fassen konnte. Es war, als ob sich eine neue Tür in meinem Herzen geöffnet hatte.
Den ganzen Tag über spürte ich dieses überwältigende Gefühl der Freude und des Sinns. Zum ersten Mal hatte ich das unerschütterliche Wissen in mir, warum ich lebe. Es war nicht wegen der Arbeit, nicht wegen des Geldes, sondern wegen der Liebe, die ich weitergeben durfte. Dieser Augenblick prägte mich zutiefst und lehrte mich, wie wichtig es ist, mit offenen Augen und einem offenen Herzen durch die Welt zu gehen. Denn manchmal sind es die kleinsten Gesten, die die größte Wirkung haben — nicht nur auf andere, sondern auch auf uns selbst.
Ein wenig Licht ins Dunkel
Manchmal fühlt es sich an, als ob die Welt im Dunkeln versinkt. Überall begegnet man Menschen in Not, die in ihrer Einsamkeit oder Trauer gefangen sind. Man kann nicht allen helfen, das ist mir bewusst. Aber ich glaube, Gott gibt uns manchmal einen inneren Anstoß, den wir nur fühlen müssen.
Eines Tages, als ich auf dem Weg ins Fitnessstudio war, fiel mir auf dem Bahnsteig ein junges Mädchen auf. Sie saß auf einer Bank, den Kopf gesenkt, leise schluchzend. Ein trauriger Anblick. Doch ich lief einfach vorbei. Mein Kopf war bei anderen Dingen, meine Zeit knapp. Aber irgendetwas ließ mich nicht los. Dieses Bild von ihr – so verloren, so verletzt – setzte sich in meinem Herzen fest.
Als ich gerade die Treppe hinaufgehen wollte, passierte ich eine alte Frau mit einem Eimer voller Blumen. Ohne zu überlegen, kaufte ich einen Strauß und ging zurück. Das Mädchen saß immer noch da, in ihrer stillen Trauer. Zögerlich trat ich vor sie und sagte: „Darf ich dir ein wenig Licht in dein Dunkel bringen?“ Sie hob ihren Kopf, schaute mich mit verweinten Augen an und nahm den Blumenstrauß entgegen. Für einen Moment erhellte ein zartes Lächeln ihr Gesicht. Es war, als ob ein kleiner Sonnenstrahl den trüben Tag durchbrach.
Ich ging weiter, ohne ihren Namen zu kennen, ohne zu wissen, was sie bedrückte. Doch je weiter ich mich entfernte, desto heller wurde mein Herz. Dieses Gefühl von Glück, das durch mich strömte, war so rein, so überwältigend. Es war keine große Tat, nichts, das die Welt verändert hätte, und doch hatte es meinen Tag erleuchtet.
Am Ende des Tages saß ich still da, mein Herz erfüllt von Dankbarkeit. Es sind nicht die großen Wunder, die uns die Herrlichkeit Gottes zeigen, sondern die kleinen, stillen Augenblicke, in denen wir seine Liebe und Nähe spüren. Und wieder einmal wusste ich: Er ist da, immer – im Kleinen, im Einfachen, im Alltäglichen.